Das Comeback von gutem Design

Veröffentlicht am 29. Juni 2018 von Beat Hürlimann

Die Aufgabe der Designer im Marketing ist die Kreation von Nutzerlebnissen und da sich diese Erlebnisse im Zuge der Digitalisierung eben gerade stark verändern, verändert sich auch das Berufsbild des Designers dramatisch. Designer müssen sich neu erfinden, weil ihr Tätigkeitsfeld ein anderes ist, mit Entwicklungen wie diesen: Virtual Reality, Conversational Design, Voice Interfaces, Motion Design, Prototyping oder UX Writing.

Perspektivenwechsel herbeiführen

Im Kern geht es für Designerinnen und Designer um den Perspektivenwechsel vom Designfokus zum Businessfokus. Bereits heute beschäftigen sich die User Experience (UX) Designer mit Themen wie Lead Generation, Customer Relations Management, Targeting, Retargeting, Suchmaschinenmarketing, Direct Response Landing Pages und vielem anderem mehr. Aufgabe der Marketingspezialisten ist es nun, den Designern das Prinzip des Salesfunnel, worin sich die eben aufgezählten Themen abspielen, näher zu bringen. Für schönes Designs im Sinne von Ästhetik ist schon noch Platz, es ist auch nach wie vor sehr wichtig aber Designs starten heute aus der Businessperspektive. Design im digitalen Zeitalter ist nicht Kunst, es steht im Solde von Geschäftszielen, ist messbar und das ist gut so. Das sagen nicht Marketingfachleute, sondern führende User Experience Designer, nachzulesen in zahlreichen Beiträgen im Blog UX Design Collective – uxdesign.cc.

Echtzeit-Marketing clever nutzen

Der Echzeitcharakter von Social Media Erlebnissen verändert die Erwartungshaltung der Menschen und was dabei hervorsticht ist die verkürzte Zeitspanne vom Erstkontakt bis zur Bedürfniserfüllung. Dank Diensten wie Livestreaming, Livechat und Location Sharing Features teilen wir unsere Erlebnisse mit Freunde zusehends in Echtzeit. Messaging Plattformen von Whatsapp bis Intercom erlauben Firmen automatisierte Echtzeitkontakte mit Kunden. Bisherige Erlebnishürden technischer und geographischer Art fallen zusehends weg. Was zählt sind das Liveerlebnis und die unmittelbare Bedürfniserfüllung. Weshalb ein Museum besuchen, wenn ich das Erlebnis nicht in Echtzeit mit meinen Freunden teilen kann? Weshalb mit einem Freund im Ausgang abhängen, wenn ich es via Snapchat gleichzeitig mit allen tun kann? Physische Orte wie Restaurants und Verkaufspunkte wandeln sich in stylische Bühnen als Kulisse für Fotos und Selfies. Konkrete Cases fürs Marketing: Krankenkassen und Praxen bieten 24/7 Video-Sprechstunden. Die Wartezeit dauert fünf Minuten. Online Dating Apps verbinden Liebeshungrige unverzüglich.

Design mit Storytelling verheiraten

Storytelling und Copywriting waren nie präsenter in der Designwelt. Wo die Erlebniswege der Konsumenten immer fragmentierter werden, ist es eine wichtige Aufgabe der Designer mitzuhelfen, dass Marken über alle Kanäle und Wirkungsstufen hinweg konsistente, klar verständliche, interessante und menschennahe Storys erzählen. Wer heute eine Seite oder eine App gestaltet, erzählt immer auch eine Geschichte für eine bestimmte Zielperson. Vergessen wir erst einmal Module, Raster und Farben und vergewissern wir uns zuallererst, was wir kommunizieren müssen.

Interfaces are Storys, heisst eine wichtige Designerregel. Bevor man die Design Software startet und mit dem Wireframing beginnt, kreiert der Designer mit Hilfe eines Texteditors ein Storyframe. Die Dropbox Homepage erzählt die Story von Dropbox, weshalb Dropbox existiert und wo im Leben Dropbox ins Spiel kommt. Die NY Times erzählt die Geschichte was heute auf der Welt passiert und die AirBNB Homepage erzählt was AirBNB ist und zwar mit Beispielen von Dienstleistungen die es anbietet. Es ist keine Hexerei aber diese Trivialität kann den Unterschied ausmachen. Sich zum Start von allem Visuellen abzuwenden hilft, sich auf die eigentliche Aufgabe eines Designs zu fokussieren. Der Test: Wenn wir alle Styleelemente einer Seite entfernen, erzählt sie dann noch eine klare, nachvollziehbare Story? Es ist die Transformation vom Erlebnis-Designer zum Erlebnis-Erzähler.

Lebendige Design-Systeme entwickeln

Wie wir uns im Zuge der technologischen Entwicklung mehr und mehr in eine Welt völlig fragmentierter, kaum sichtbarer Interfaces bewegen, bedeutet Branding viel mehr, als wie eine Marke auszusehen hat oder wie wir sie in TV-Spots oder Facebook-Ads gerne präsentieren würden. Noch decken Branding Style Guides vor allem klassische Bereiche des Designs ab, wie Typografie, Farbe, Fotostyle, Logofreiraum und dergleichen. Mit dem Web kamen vor Jahren Header Styles, Rastersysteme und detaillierte Interaktionsmuster als Vorgaben dazu. Jetzt aber gehen wir im Zuge der neusten Entwicklungen dazu über, lebendige Design Systeme zu entwickeln. Interfaces werden zusehends unsichtbar und der Weg geht in Richtung Zero UI, wie es die Designer nennen: Bildschirme verschwinden und die Interaktionen werden via Stimmen, Gesten, Blicken und bald auch Gedanken stattfinden. Branding bedeutet heute viel mehr als alles Visuelle. 2018 sollten wir uns mit den neuen Formen des Brandings in realen Projekten auseinandersetzen. Drei davon:

  • Stimme: Beispiel Google Assistant’s Stimme. Die Tonlage, die Kadenz der Stimme und all das, was auch eine menschliche Stimme ausmacht, musste zuerst gestaltet werden, genauso wie zuvor das Google Logo mit den Farben oder die bildschirmbasierten Interaktionsmuster. Die Herausforderung besteht darin, dass der stimmbasierte Austausch über ganz unterschiedliche Kanäle konsistent bleibt.
  • Persönlichkeit: Mit dem Aufkommen der Chatbots und anderen textbasierten Interfaces kommt den Worten, die eine Marke in den Dialogen verwendet, eine grosse Bedeutung zu. Sie entscheiden wesentlich darüber, wie eine Person eine Marke wahrnimmt. Wie beim Menschen. Das Spektrum ist sehr breit, von den Witzen, die wir einstreuen bis zu den Emojis, die wir verwenden.
  • Taten: Airbnb hat entschieden, rechtsextreme Halunken von seiner Plattform zu entfernen. Das hat der Marke viel Sympathien eingetragen. Taten wirken viel stärker als Worte oder guter Style. Aber wie alle anderen Massnahmen, die eine Marke durchführt, müssen auch Taten konsistent zu den Markenwerten sein.

Brücken bauen und Feste feiern

Die Arbeit der Designer muss im Einklang mit jener der anderen Teams stehen. Mit den Marketingteams, den PR-Verantwortlichen, dem Kundneservice, den Produktentwicklern und vielen mehr. Designer können sehr viel in den Entwicklungsprozess des trichterhaften Customer Journeys einbringen, in dem sie die Kundenperspektive einnehmen und zwar unabhängig vom Kanal, den dieser gerade für einen Schritt verwendet.

Das Comeback von Design als Masterpiece ist ein Grund zum feiern und endlich Ernst zu machen …

 

 

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